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Grenzsteine in und um Saarwellingen

Historische Grenzsteine erzählen

Die größte territoriale Zersplitterung hatte vor der Französischen Revolution der heutige Kreis Saarlouis aufzuweisen. Zwölf Herrschaften waren hier vertreten, so auch Saarwellingen und Schwarzenholz.

Größten Wert legte man damals auf die Festsetzung und Erkennung der Grenzen, deshalb wurden um die einzelnen Herrschaftsgebiete Grenzsteine gesetzt. Betrachten wir solch einen alten Stein näher, fallen etliche eingearbeitete Zeichen und Symbole auf, angebracht von den verschiedenen Herrschaften. Um diese Zeichen verstehen zu können, ist es nötig, sich mit der Geschichte der Orte zu befassen. Da die Zeiten, in denen die verschiedenen Herrschaften regierten, bekannt sind, kann man daraus auf die Zeit der Steinsetzung schließen. Historische Grenzsteine betrachten heißt daher, im steinernen Geschichtsbuch blättern.

Die ältesten Herrschaften, deren Zeichen uns auf den Steinen um Saarwellingen begegnen, sind die Crichinger, deren Stammsitz sich im lothringischen Crichingen (heute Créhange) befand. Sie führten in ihrem Wappen ein Ankerkreuz, das auf unseren Grenzsteinen ebenfalls zu finden ist. Die Crichinger übernahmen die damals freie Reichsherrschaft 1659. Da dieser Stamm 1697 in der männlichen Linie ausstarb, kamen die Besitztümer Crichingens, zu denen auch die Herrschaft Saarwellingen zählte, zu Ostfriesland, und zwar durch Heirat der Erbtochter Gräfin Anna Dorothea mit dem Grafen Edgar Ferdinand von Ostfriesland. Ihr Sohn, Fürst Friedrich, hatte eine Tochter, die Gräfin Christine Luise. Dies schloss am 14. August 1726 die Ehe mit Graf Johann Ludwig zu Wied-Runkel. Dadurch kam die Herrschaft als Teil der Grafschaft Crichingen an das Haus Wied-Runkel. Die Grenzsteine, die in dieser Zeit gesetzt wurden, tragen den Buchstaben W (= Wied-Runkel).

Im Zuge der Französischen Revolution besetzten französische Truppen auch die alte Grafschaft Crichingen am 22. Februar 1793, Saarwellingen wurde damit französisch. Der Wiener Kongress 1815 teilte Europa neu ein. So kamen die heutigen westlichen Teile des Saarlandes - damit auch Saarwellingen - zum Königreich Preußen. Die ehemals herrschaftlichen Wälder wurden „Königlicher Wald“ (= KW), der heutige Staatswald.

Es ergibt sich also, dass ein Stein, nur mit KW bezeichnet, erst nach 1815 gesetzt wurde. Auf älteren Steinen wurde diese Bezeichnung zusätzlich neben der schon bestehenden angebracht.

Angrenzender Nachbar Saarwellingens im Norden ist Nalbach. Die diesem Ort zugewandten Seiten der Grenzsteine wurden bis 1784 mit den Buchstaben SS (= Sankt Simeonsstift) versehen. Der Hof Nalbach wurde 1048 dem St. Simeonsstift zu Trier übertragen. Damit waren die Stiftsherren hier, dem späteren Nalbacher Thal, Grundherren. Zum Hochgericht „Nalbacher Thal“ (= NT) gehörten die Dörfer Nalbach, Piesbach, Bilsdorf, Körprich, Bettstadt und Diefflen. Die Bezeichnung NT löste somit die vorstehende ab.

Im Süden grenzt Hülzweiler, ehemals zum Herzogtum Lothringen gehörend, an Saarwellingen an. Die diesem Ort zugewandte Grenzsteinseite zeigt daher das „Lothringer Doppelkreuz“. Dieses stammt ursprünglich aus dem ungarischen Königshaus der Arpaden. Das französische Königshaus Anjou erwarb im 14. Jahrhundert das Königreich Ungarn. René I. nahm dieses Doppelkreuz in sein Wappenschild auf, ließ es später als Wappen aber wieder fallen. Da das Doppelkreuz bereits tief in die Wappengeschichte Lothringens eingegangen war, wurde es weiterhin als Wahrzeichen benutzt. Grenzsteine wurden bis 1766 damit versehen.

An dieser südlichen Grenze befindet sich auch ein Stein, der die Bourbonische Lilie, das Wappenzeichen Frankreichs, trägt. Hier grenzte die Bannmeile des französischen Saarlouis an. Das französische Königreich wurde mit solchen Steinen umgeben, nach 1766 auch die Grenzen des bisherigen Lothringens, da mit dem Tode des letzten Herzogs Stanislaus Lesczynski das Herzogtum Lothringen an Frankreich fiel.

Im Westen Saarwellingens grenzte der damals sogenannte „Rodener Bann“ an. Grenzsteine tragen hier deshalb die Buchstaben „RB“. Einer steht unmittelbar an der Stelle, wo die Banngrenze den Weg von der Sägemühle nach Roden schneidet.

Die Gemarkungen Schwarzenholz und Labach bildeten die Reichsherrschaft Schwarzenholz, die 1235 gegründet wurde. Alleinige Herrin dieser Herrschaft war ab 1765 die Äbtissin des Klosters Fraulautern, die letzte war Sophie von Neuenstein. Sie führte in ihrem Familienwappen ein fünfspeichiges Rad. Dieses Rad, etwas abgewandelt, wurde auch auf den die Herrschaft umgebenden Grenzsteinen angebracht. Als zusätzliche Abkürzung für Schwarzenholz wurden die Buchstaben „SH“ eingearbeitet. Ferner erscheint auf vielen Grenzsteinen hier das Jahr der Setzung 1777.

Südlich von Schwarzenholz grenzte auch der „Herrschaftliche Forstwald“, wie er seinerzeit genannt wurde, an. Die Steine tragen daher hier ein „F“.

Ebenfalls im Süden sowie im Osten grenzte die Grafschaft Saarbrücken an, die eine Wolfsangel als Symbol führte. Die Wolfsangel, mit deren Hilfe in den weiträumigen Wäldern der Grafschaft viele Wölfe erlegt wurden, war ein Z-förmiges gebogenes Eisen mit angespitzten Enden, das in etwa zwei Meter Höhe an Bäume gehängt wurde. Die hungrigen Wölfe sprangen nach den daran hängenden Fleischködern, verfingen sich im Haken und verbluteten. Die Wolfsangel wurde an den Grenzsteinen sowohl senkrecht als auch waagerecht angebracht. Zur Grafschaft gehörte auch die Gemarkung Schwalbach, erkennbar an dem zusätzlichen Buchstaben „S“. An den Buchstaben „NS“ ist die Gemarkung Niedersalbach zu erkennen.

Zur Einheitsgemeinde Saarwellingen gehört auch die Gemarkung Reisweiler, ehemals Meierei. Markante Grenzsteine führen hier ein „R“. Solch einer steht an der Landstraße nach Eiweiler (= E), gegenüber Haus Waldfriede; an dieser Stelle zweigt auch die Höhenstraße ab.

An der nördlichen Grenze sind Steine mit den Buchstaben „HW“ zu finden. Sie stammen aus der Zeit, als die Herren von Hagen Anteil an Reisweiler hatten und ihren Wald, den Hagenschen Wald, so kennzeichneten. Im Nordosten grenzte auch die sogenannte Viererherrschaft Lebach (= 4HL) an. Ein weiterer Angrenzer war das nördlich gelegene Knorscheid (= K) und Falscheid. Letzteres gehörte zu Nassau-Crichingen (= C), einer Nebenlinie der Saarwellinger Crichinger.

Soweit zu diesen historischen Grenzsteinen. Sie gehören zu den Kulturdenkmälern und stehen unter Denkmalschutz; zuständig als Fachbehörde ist heute das Staatliche Konservatoramt Saarbrücken. Aus den Herrschaftsgrenzen sind die Gemeinde- und Gemarkungsgrenzen geworden, sie stimmen größtenteils überein.

(Diese historischen Grenzsteine wurden von Nikolaus Philippi in einer Schrift unter dem Titel „Historische Grenzsteine um die ehemaligen Herrschaften Saarwellingen und Schwarzenholz und um Reisweiler“ ausführlich beschrieben.)

Grafische Zeichen auf den Grenzsteinen

Ankerkreuz

Das Ankerkreuz findet man im Crichinger Wappen. 1546 wurde es als Wappen der Herrschaft Pittingen in das Crichinger Stammwappen aufgenommen. Die Crichinger sind die ältesten Herrschaften, deren Zeichen auf Steinen rund um Saarwellingen zu finden sind.

Bourbonische Lilie

Seit 1179 verwendeten die Bourbonen die Wasserschwertlilie als Wappen. Kurze Zeit später galt sie auch als Wappen Frankreichs, so dass die damalige französische Grenze mit dieser Lilie gekennzeichnet war.

Vierspeichiges Rad

Das abgewandelte Rad entstammt dem Wappen der Sophie von Neuenstein (fünf Speichen). Sie war die letzte Äbtissin des Klosters Fraulautern, zu dem Schwarzenholz als Freie Reichsherrschaft gehörte.

Lothringer Doppelkreuz

Das Doppelkreuz galt als Wahrzeichen Lothringens. Auf Grenzsteinen wurde es bis 1766 verwendet.

Die Wolfsangel

Der Graf von Nassau-Saarbrücken wählte die Wolfsangel als Forstzeichen, weil mit deren Hilfe viele Wölfe erlegt wurden.

Schriftzeichen und ihre Bedeutung auf den Grenzsteinen

1777 - Jahr der Steinsetzung

1777 - In der Reichsherrschaft Schwarzenholz erscheint auf vielen Steinen das Jahr der Setzung 1777.

III - 3 Laufende Nummer

III oder 3 - Arabische oder römische Zahlen geben die laufende Nummer eines Steines entlang der Grenze an und befinden sich unter dem Jahr der Absteinung (Setzung).

Crichingen

C - An der Grenze zu Falscheid begegnet man auf Grenzsteinen dem Buchstaben "C", der für Crichingen steht. Falscheid war ein nassauisch-crichingisches Dorf.

Eiweiler

E - Steine mit einem „E“ versehen, stehen an der Grenze zwischen Reisweiler und Eiweiler.

Forstwald

F - Abkürzung für das lateinische Wort foris (außerhalb) für den „herrschaftlichen Forstwald“, auch Abkürzung für Frankreich.

Hagenscher Wald

HW HV - Die Steine nördlich der Gemarkung Reisweiler sind mit den Buchstaben „HW“ und „HV“ gekennzeichnet und stammen aus der Zeit als die Ritter von Hagen Anteil an Reisweiler hatten.

Knorscheid

K - Das 1789 zur Meierei Reisweiler gehörende Knorscheid trug auf seinen Grenzsteinen ein „K“.

Königlicher Wald

KW - Große Teile der ehemaligen herrschaftlichen Wälder wurden mit der Preußenzeit (1815) königlicher Wald, der heutige Staatswald.

Nalbacher Thal

NT - Das damalige Hochgericht Nalbacher Thal gehörte ab 1048 der Herrschaft des St. Simeonsstifts zu Trier.

Niedersalbach

NS - Die Gemarkung Niedersalbach ist an den Buchstaben „NS“ zu erkennen.

Reisweiler

R - ist die Abkürzung für die Meierei Reisweiler

Rodener Bann

RB - Die Buchstaben „RB“ bezeichnen den sogenannten Rodener Bann.

Sankt Simeonsstift

SS

Schwalbach

S - Der Buchstabe „S“ steht für Schwalbach und wurde als Zusatz zur Wolfsangel auf Grenzsteinen angebracht, da die Gemarkung Schwalbach zur Grafschaft Nassau-Saarbrücken gehörte.

Schwarzenholz

SH - ist die Abkürzung für die Freie Reichsherrschaft Schwarzenholz

Vierer Herrschaft Lebach

4HL - Im Nordosten der Gemarkung Reisweiler grenzte die sogenannte Viererherrschaft Lebach an, so dass die Steine die Bezeichenung 4 HL tragen.

Wied-Runkel

W - Der Buchstabe W ist das Zeichen der Herrschaft Wied-Runkel und nicht für (Saar-) Wellingen, wie manchmal angenommen wird.